Dass der Kaffee ein Genuss ist, an dem sich die Mehrheit unserer Gesellschaft bedienen kann, ist noch nicht allzu lange her. Noch bis ins 19. Jahrhundert galt der Kaffee als ein Getränk, dass Wohlstand anzeigte und dementsprechend der reicheren Bevölkerung vorbehalten war.
Doch das änderte sich zunehmend mit den Entdeckern, die die beliebten Bohnen als Mitbringsel von ihren Forschungsreisen mitbrachten und quer über dem Planeten verteilten. Das Verlangen nach der Bohne stieg unaufhörlich, bis sich in den 1930er Jahren schließlich die Preisstruktur des Kaffees veränderte und ihn so erschwinglich für Jedermann machte. Dies war der Beginn einer Kaffeerevolution, die bis heute drei unterschiedliche Entwicklungen vollzogen hat. Jede Entwicklung beschreibt eine andere Haltung zum Konsum von Kaffee.
Die erste Welle der Kaffeerevolution
Zwischen 1930 und 1960 entwickelte sich der elitäre Konsum von Kaffee zu einem Massenkonsum. Nie zuvor wurden so große Mengen der Bohnen gehandelt und konsumiert. Der Kaffee fand fortan als fertig gemahlenes und vakuumverpacktes Genussmittel seinen Weg in die Regale von Supermärkten. Er hatte schließlich seine Massentauglichkeit erreicht. Zeitgleich zogen elektrische Kaffeefiltermaschinen und Handfilter in die Haushalte ein. Filterkaffee war en vogue, ebenso wie der Espresso. Doch auch das Kaffee-außer-Haus-Geschäft boomte. Mit den Kaffeehäusern, die wie Pilze aus dem Boden sprießten, differenzierte sich der Kaffeegenuss immer mehr aus. Es ward ein Markt gefunden, mit dem sich Geld verdienen ließ. Ebendieser Markt läutete sogleich ab den 60er-Jahren die zweite Welle der Kaffeerevolution ein.
Die zweite Welle der Kaffeerevolution
Immer mehr Kaffeehäuser und internationale Kaffeeketten eroberten die Städte. Sie machten den Kaffee straßenfähig und erschufen einen regelrechten "Kult": Der To-go-Kaffee wurde erfunden, gemacht für Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit nicht auf ihr wachmachendes Heißgetränk verzichten wollten. Nach wie vor handelte es sich dabei um ein Massenprodukt. Der Konsum stand im Vordergrund, weiterhin zu einem erschwinglichen Preis. So wurden die neuen To-go-Produkte mit Sirup, künstlichen Aromen und reichlich Milch gemischt, die in ihrer Kombination über den Geschmack der nicht selten minderwertigen Bohnen hinwegtäuschen sollten. Zur selben Zeit hielten Kaffeevollautomaten Einzug in Büros und den ein oder anderen privaten Haushalt. Per Knopfdruck konnten nun jegliche Kaffeesorten von Espresso bis Latte Macchiato erstellt werden. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch Kapsel- und Padmaschinen.
Zu Beginn der 90er-Jahre kündigte sich die dritte Welle an. Von Amerika, nach Europa über den gesamten Globus nahm sie schließlich ihren Lauf. Die dritte Welle der Kaffeerevolution wird gemeinhin auch als Third Wave-Bewegung bezeichnet.
Die dritte Welle der Kaffeerevolution
Seit den 90er Jahren vollzieht sich ein Sinneswandel, der mit einer veränderten Konsumhaltung gegenüber Kaffee einhergeht. Der Fokus richtet sich mehr und mehr wieder auf den Kaffee selbst, auf sein Anbaugebiet und seine Zubereitung. Wo kommt der Kaffee her? Wie wird er angebaut? Ist der Anbau nachhaltig? Sind die Entlohnung und Arbeitsbedingungen fair? Das sind Fragen, mit denen sich Kaffeegenießer der dritten Welle auseinandersetzen. Sie verstehen Kaffee nicht länger als Massenprodukt, sondern als ein Genussmittel, dessen Qualität klar vor der Quantität des Konsums steht. Der billig hergestellte Kaffee aus minderwertigen Bohnen rückt ins Abseits. Stattdessen steigt die Akzeptanz, für guten Kaffee tiefer ins Portemonnaie zu greifen.
Und den Unterschied schmeckt man: Der gesamte Herstellungsprozess von der Ernte bis zur Röstung läuft langsam und gewissenhaft mit größter Sorgfalt ab. Die Bohnen werden hell geröstet und behalten dadurch ihren milden Geschmack, der den Aromen unterschiedlicher Kaffeesorten den nötigen Raum zur Entfaltung lässt. Geschmacksnuancen von nussig bis schokoladig der südamerikanischen Kaffeebohnen, über einen feinen, klaren Geschmack der mittelamerikanischen Bohnen, bis hin zu den beerigen und fruchtigen Sorten der afrikanischen Bohnen sind seit der dritten Welle in sogenannten Third Wave Kaffeehäusern zu schmecken.
Bild: Kaffeezubereitung mit der Chemex
Neben dem Fokus auf qualitativ hochwertigen Kaffee zielt die dritte Welle der Kaffeerevolution auch auf die Wiederbelebung von traditionellen Zubereitungsmethoden ab. Statt den Kaffeevollautomaten zu bedienen, wird der Kaffee mit Kaffeehandfiltern, im Syphon oder mit der Chemex aufgebrüht. Eine alternative Methode ist die Zubereitung mit einer Espressomaschine oder einer French Press.
Mit Blick auf Deutschland existieren inzwischen in jeder größeren Stadt Kaffeehäuser der Third Wave Bewegung. Sie legen besonderen Wert auf die Beschaffenheit, den Anbau und die Herstellung von Kaffeebohnen. Sie verbinden dabei bewährte Traditionen der Herstellung mit der Moderne, die Ausdruck in Design und Innenausstattung der Kaffeehäuser findet. Filigrane, luftig leichte Kunstwerke, die Latte Art, auf dem Milchschaum unterschiedlicher Kaffeespezialitäten stehen in zahlreichen Third Wave Kaffeehäusern symbolisch für das Kaffeehandwerk, das umfangreiche Fachkenntnisse voraussetzt.
Wertschätzung findet dies in der Zeit, die Third Wave-Anhänger dem Kaffee schenken: Sie nehmen sich für den Genuss des Kaffees zuweilen genauso viel Zeit wie für einen guten Wein oder einen Tee aus sorgfältig erlesenen Blättern.